Kritik zum Werk
Arthur Schnitzler wurde im Jahre 1863 als erstes Kind eines jüdischen Medizinprofessors geboren. Seine Promotion zum medizinischen Professor erfolgte an der Universität Wien. Parallel zu seiner Berufung als Praxisbesitzer, trug er den Rang des Offiziers als Oberarzt. Schnitzler wurde dieser, infolge der Veröffentlichung seines militärkritischen Werkes Lieutenant Gustl, aberkannt.
Charakteristisch für Schnitzlers Lieutenant Gustl ist die Erzählperspektive des inneren Monologs, welche sich nahezu gänzlich im gesamten Handlungsverlauf der fünfundvierzigseitigen Novelle findet. Diese Erzählsform fand in der Zeit vor dem zwanzigsten Jahrhunderts kaum Beachtung. Nichtsdestotrotz bietet diese dem Leser die Möglichkeit, die Denk- und Erlebenswelt des Hauptdarstellers in ihrer reinsten Gestalt zu erkundigen. Die einzelnen Gedankenstränge Gustls sind durch Unterbrüche gekennzeichnet, welche sich im Werk durch Dreifachpunkte «…» zu erkennen geben. Das konkrete Datum der fiktiven Geschehnisse ist dem Leser nicht bekannt. Es wird jedoch verständlich, dass die Geschichte um «[…] viertel auf Zehn […]» beginnt (S. 7, Z. 5) und kurz nach viertel vor Sechs endet, was annäherungsweise einem Zeitrahmen von acht Stunden entspricht. Das Werk weist keine Gliederungsebenen auf, sprich ist dieses in einem einzigen ungetrennten Text verfasst. Es findet sich lediglich ein Zeitsprung in die Zukunft, welcher auf Seite 32 mittels einer Trennlinie vermerkt ist.
Arthur Schnitzlers «Leutnant Gustl» beschreibt den inneren Kampf eines selbstüberheblichen, jedoch tief unsicheren jungen Wiener Mannes. Die Handlung des Werks findet ihren Anfang bei einem Besuch des Leutnant Gustls im Singkonzert. Gustl sehnt sich nach dem Ende der Vorstellung, obschon er aus eigener Hand die Entscheidung getroffen hat, dieselbe zu besuchen. Seine Liebhaberin Steffi hatte ihn davor, aufgrund eines Treffens mit einem jüdischen Mann, versetzt, wodurch Gustl sich gedrungen sah, einer anderen Beschäftigung zu folgen. Dem Leutnant bereitet diese jedoch kein Vergnügen, weswegen er nach Ende der Vorstellung seinen Weg zum Ausgang in Eile bahnt. Anhand Gustls Gedanken lassen sich bereits früh im Werk Schlüsse bezüglich seiner Persönlichkeit ziehen. Antisemitismus, starke Neigungen zum weiblichen Geschlecht und eine hohe Erwartung am Respekt anderer Menschen kommen vorwiegend zum Ausdruck. Letzteres erhofft sich Gustl mit Hilfe seiner k.u.k-Uniform zu ernten, was sich jedoch als Irrglaube herausstellt. Der Bäckermeister – von Gustls Ungeduld und Hochmut gereizt – greift dem jungen Leutnant an den Säbel, droht ihm diesem, zu zerbrechen und nennt ihn letztendlich einen dummen Buben (S. 15, Z. 35). In seiner Mannhaftigkeit und Ehre verletzt, begibt sich der junge Leutnant in einen neurotischen Zustand, worin er den Selbstmord in Erwägung zieht und sich anschliessend dafür entscheidet. Am darauffolgenden Morgen erfährt Gustl über den unerwarteten Tod des Bäckermeisters, worauf er seine Suizid-Pläne verwirft.
Die Tendenz des Hauptdarstellers mit seinen Gedanken zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schweifen, erweist sich zu Beginn als gewöhnungsbedürftig. Dieses gedankliche Pendeln zeigt sich jedoch im Verlauf der Novelle als förderlich, da dadurch die Neigungen und die Persönlichkeit des Hauptdarstellers zum Ausdruck kommen. Das Leiden des jungen Leutnants wird anhand des inneren Monologes verdeutlicht. Diese subjektive Erzählungsart betont Gustls Handlungsunfähigkeit und seine Angst vor den sozialen Konsequenzen, welche die Entehrung mit sich ziehen könnte. Die Unfähigkeit Gustls, der Situation erhaben zu bleiben, erweckt ein Gefühl des Ärgers. Seine Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, jenes der Empörung. Der Leser antizipiert den Selbstmord des jungen Mannes und sieht sich infolge seiner Wehklagen gedrungen, Mitleid mit ihm zu empfinden. Dieses Mitleid geht einem Gefühl der Erleichterung voran, welches die Oberhand übernimmt, alsdann der Tod des Bäckermeisters angekündigt wird. Zeitgleich geht diese Freude mit einem Empfinden des Ekels einher. Der Leser sieht sich mit der paradoxen Tatsache konfrontiert, dass der Tod eines Menschen, die Freude eines anderen darstellt.
Anlass für die Veröffentlichung, bot die damalige gesellschaftliche und politische Lage in der Donaumonarchie, worin der Antisemitismus sowie das Pflegen und strenge Befolgen des militärischen Ehrenkodex weit verbreitet waren. Der Ehrenkodex implizierte die Verbindlichkeit des Nachkommen einer Duellforderung. Zu dieser sogenannten «Satisfaktionsfähigkeit» waren nur Bürger höherer Gesellschaftsklassen imstande. Leutnant Gustl, der sich durch einen einfachen Zivilisten herausgefordert sah, war folglich nicht in der Lage zu intervenieren. Er missachtete hierdurch seine Pflicht, weswegen er den Selbstmord als einzigen Ausweg sah, um dieser Entehrung zu entfliehen. Arthur Schnitzlers Lieutenant Gustl zeigt somit nicht nur die Leiden eines jungen Offiziers in einer dogmatischen Gesellschaft auf, sondern kritisiert diese als Ganze. Der Angriff auf die, in der Donaumonarchie geltenden, sozialen Konventionen kommen mittels des bemitleidenswerten und närrischen Charakter Leutnant Gustls zur Geltung.
In Anbetracht der erläuterten Gegenstände, kennzeichnet Arthur Schnitzlers Lieutenant Gustl ein gesellschaftskritisches Werk, das die politische und soziale Lage der Donaumonarchie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts widerspiegelt. Schnitzler kann als einer der ersten Pioniere des inneren Monologs erachtet werden. Aspekte dessen finden sich unter anderem auch in Schnitzlers Bühnenstück Der Reigen, welches 1920 uraufgeführt wurde. Das Begreifen der Zusammenhänge zwischen Werkinhalt und geschichtlicher sowie literarischer Epoche bedarf jedoch einer gewissen Neigung zu vergangenen Zeiten. Dessentwillen eignet sich die Novelle vornehmlich für geschichts- und literaturinterssierte Leser. Dennoch erweist sich das Ergründen und Verstehen der Absicht Schnitzlers, welche er mit Hilfe seines Werkes erfüllen wollte, als den wesentlich vergnügungsvollen Teil der Erarbeitung Lieutenant Gustls. Das scheinbar kurze, fünfundvierzigseitige Kind seiner Zeit, zeigt sich bei näherer Prüfung als ein respektabler, geschichtsträchtiger und sarkastischer Gigant.
Charakteristisch für Schnitzlers Lieutenant Gustl ist die Erzählperspektive des inneren Monologs, welche sich nahezu gänzlich im gesamten Handlungsverlauf der fünfundvierzigseitigen Novelle findet. Diese Erzählsform fand in der Zeit vor dem zwanzigsten Jahrhunderts kaum Beachtung. Nichtsdestotrotz bietet diese dem Leser die Möglichkeit, die Denk- und Erlebenswelt des Hauptdarstellers in ihrer reinsten Gestalt zu erkundigen. Die einzelnen Gedankenstränge Gustls sind durch Unterbrüche gekennzeichnet, welche sich im Werk durch Dreifachpunkte «…» zu erkennen geben. Das konkrete Datum der fiktiven Geschehnisse ist dem Leser nicht bekannt. Es wird jedoch verständlich, dass die Geschichte um «[…] viertel auf Zehn […]» beginnt (S. 7, Z. 5) und kurz nach viertel vor Sechs endet, was annäherungsweise einem Zeitrahmen von acht Stunden entspricht. Das Werk weist keine Gliederungsebenen auf, sprich ist dieses in einem einzigen ungetrennten Text verfasst. Es findet sich lediglich ein Zeitsprung in die Zukunft, welcher auf Seite 32 mittels einer Trennlinie vermerkt ist.
Arthur Schnitzlers «Leutnant Gustl» beschreibt den inneren Kampf eines selbstüberheblichen, jedoch tief unsicheren jungen Wiener Mannes. Die Handlung des Werks findet ihren Anfang bei einem Besuch des Leutnant Gustls im Singkonzert. Gustl sehnt sich nach dem Ende der Vorstellung, obschon er aus eigener Hand die Entscheidung getroffen hat, dieselbe zu besuchen. Seine Liebhaberin Steffi hatte ihn davor, aufgrund eines Treffens mit einem jüdischen Mann, versetzt, wodurch Gustl sich gedrungen sah, einer anderen Beschäftigung zu folgen. Dem Leutnant bereitet diese jedoch kein Vergnügen, weswegen er nach Ende der Vorstellung seinen Weg zum Ausgang in Eile bahnt. Anhand Gustls Gedanken lassen sich bereits früh im Werk Schlüsse bezüglich seiner Persönlichkeit ziehen. Antisemitismus, starke Neigungen zum weiblichen Geschlecht und eine hohe Erwartung am Respekt anderer Menschen kommen vorwiegend zum Ausdruck. Letzteres erhofft sich Gustl mit Hilfe seiner k.u.k-Uniform zu ernten, was sich jedoch als Irrglaube herausstellt. Der Bäckermeister – von Gustls Ungeduld und Hochmut gereizt – greift dem jungen Leutnant an den Säbel, droht ihm diesem, zu zerbrechen und nennt ihn letztendlich einen dummen Buben (S. 15, Z. 35). In seiner Mannhaftigkeit und Ehre verletzt, begibt sich der junge Leutnant in einen neurotischen Zustand, worin er den Selbstmord in Erwägung zieht und sich anschliessend dafür entscheidet. Am darauffolgenden Morgen erfährt Gustl über den unerwarteten Tod des Bäckermeisters, worauf er seine Suizid-Pläne verwirft.
Die Tendenz des Hauptdarstellers mit seinen Gedanken zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schweifen, erweist sich zu Beginn als gewöhnungsbedürftig. Dieses gedankliche Pendeln zeigt sich jedoch im Verlauf der Novelle als förderlich, da dadurch die Neigungen und die Persönlichkeit des Hauptdarstellers zum Ausdruck kommen. Das Leiden des jungen Leutnants wird anhand des inneren Monologes verdeutlicht. Diese subjektive Erzählungsart betont Gustls Handlungsunfähigkeit und seine Angst vor den sozialen Konsequenzen, welche die Entehrung mit sich ziehen könnte. Die Unfähigkeit Gustls, der Situation erhaben zu bleiben, erweckt ein Gefühl des Ärgers. Seine Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, jenes der Empörung. Der Leser antizipiert den Selbstmord des jungen Mannes und sieht sich infolge seiner Wehklagen gedrungen, Mitleid mit ihm zu empfinden. Dieses Mitleid geht einem Gefühl der Erleichterung voran, welches die Oberhand übernimmt, alsdann der Tod des Bäckermeisters angekündigt wird. Zeitgleich geht diese Freude mit einem Empfinden des Ekels einher. Der Leser sieht sich mit der paradoxen Tatsache konfrontiert, dass der Tod eines Menschen, die Freude eines anderen darstellt.
Anlass für die Veröffentlichung, bot die damalige gesellschaftliche und politische Lage in der Donaumonarchie, worin der Antisemitismus sowie das Pflegen und strenge Befolgen des militärischen Ehrenkodex weit verbreitet waren. Der Ehrenkodex implizierte die Verbindlichkeit des Nachkommen einer Duellforderung. Zu dieser sogenannten «Satisfaktionsfähigkeit» waren nur Bürger höherer Gesellschaftsklassen imstande. Leutnant Gustl, der sich durch einen einfachen Zivilisten herausgefordert sah, war folglich nicht in der Lage zu intervenieren. Er missachtete hierdurch seine Pflicht, weswegen er den Selbstmord als einzigen Ausweg sah, um dieser Entehrung zu entfliehen. Arthur Schnitzlers Lieutenant Gustl zeigt somit nicht nur die Leiden eines jungen Offiziers in einer dogmatischen Gesellschaft auf, sondern kritisiert diese als Ganze. Der Angriff auf die, in der Donaumonarchie geltenden, sozialen Konventionen kommen mittels des bemitleidenswerten und närrischen Charakter Leutnant Gustls zur Geltung.
In Anbetracht der erläuterten Gegenstände, kennzeichnet Arthur Schnitzlers Lieutenant Gustl ein gesellschaftskritisches Werk, das die politische und soziale Lage der Donaumonarchie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts widerspiegelt. Schnitzler kann als einer der ersten Pioniere des inneren Monologs erachtet werden. Aspekte dessen finden sich unter anderem auch in Schnitzlers Bühnenstück Der Reigen, welches 1920 uraufgeführt wurde. Das Begreifen der Zusammenhänge zwischen Werkinhalt und geschichtlicher sowie literarischer Epoche bedarf jedoch einer gewissen Neigung zu vergangenen Zeiten. Dessentwillen eignet sich die Novelle vornehmlich für geschichts- und literaturinterssierte Leser. Dennoch erweist sich das Ergründen und Verstehen der Absicht Schnitzlers, welche er mit Hilfe seines Werkes erfüllen wollte, als den wesentlich vergnügungsvollen Teil der Erarbeitung Lieutenant Gustls. Das scheinbar kurze, fünfundvierzigseitige Kind seiner Zeit, zeigt sich bei näherer Prüfung als ein respektabler, geschichtsträchtiger und sarkastischer Gigant.